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Im Deutschen gibt es zahlreiche unterschiedliche Konstruktionstypen, in denen die Subjektposition durch ein es besetzt wird, so etwa in folgenden Sätzen:
Es regnet.
Es ist mir schlecht.
Es geht mir gut.
Es wurde getanzt.
Es blühte der Flieder.
Je nach Konstruktionstyp, aber auch in starker Abhängigkeit von Autor und Modell wird dieses es als Subjekt, formales Subjekt, grammatisches Subjekt, Platzhalter oder Korrelat bezeichnet. Gelegentlich, so bei Abraham (1993: 118) werden auch alle diese Vorkommensweisen (sowie einige weitere) gleichermaßen mit dem englischen Begriff "expletives" bezeichnet.
In der Vergangenheit sind bereits mehrfach Versuche gemacht worden, die verschiedenen es-Vorkommen in ihren unterschiedlichen Funktionen und Positionen (i. e. in der Position oder Funktion eines Subjekts, Objekts oder Prädikativums) zu systematisieren. Ein guter Überblick über solche Versuche findet sich bei Askedal (1990).
Im Folgenden sollen nur diejenigen es-Vorkommen untersucht werden, die in Subjektposition auftreten und keine wirkliche referentielle Funktion haben. Es-Vorkommen wir in In seinem Korb hatte es Kuchen und Wein für die kranke Großmutter, wo sich es anaphorisch auf Rotkäppchen und indirekt auf einen Umweltreferenten (nämlich das gleichnamige Mädchen) bezieht, werden also bewusst ausgeschlossen. Einbezogen werden jedoch diejenigen es-Vorkommen, die anaphorisch oder kataphorisch auf einen ganzen Satz Bezug nehmen. Es in Objekt- oder Prädikativ-Position (cf. Ich erzähle es dir gleich/Ich bin's!) bleibt unberücksichtigt.
Die verschiedenen auftretenden Phänomene sollen nach syntaktischen und semantischen Funktion geordnet werden; dabei ist auch zu diskutieren, inwiefern das obligatorische resp. fakultative Auftreten des es mit solchen Faktoren zusammenhängt. Besonderes Interesse gilt ferner dem sog. es-Korrelat bei Subjektsätzen und der Frage, ob sein Auftreten möglicherweise Aussagen über den Status der Größe "Subjekt" im Deutschen zulässt, sowie dem expletiven es in Sätzen des Typs Es lebte einst ein Drache und der Frage, welchen Distributionsbeschränkungen dieses es unterliegt.
Gewöhnlich wird ein Korrelat als "Verweiselement in einem Matrixsatz, das auf einen Ergänzungssatz (...) verweist" (Glück 2000: 385) bestimmt. Ob ein Korrelat als Subjektskorrelat identifiziert werden kann, ist somit davon abhängig, wie das Subjekt selbst definiert wird, und dabei insbesondere davon, ob man Sätze als Subjekte zulässt.
In den letzten Jahren scheint es um die Definition des Begriffs "Subjekt" relativ still geworden zu sein; die Mehrheit der Arbeiten zu diesem Thema datiert aus den 70ern und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Nach Versuchen, prototypische Subjekte anhand von Eigenschaftssammlungen zu beschreiben, wie dies etwa bei Keenan (1976) der Fall ist, legte Comrie (1981) eine eher theoretisch fundierte Definition vor. Sie basiert auf den im Folgenden kurz zusammengefassten Überlegungen.
Für das einzige Argument von intransitiven Verben wie z. B. bei gehen oder zurückkommen schlägt Comrie die Bezeichnung S vor. Der Buchstabe S steht zwar in Anlehnung an den Begriff "Subjekt", aber diese Ähnlichkeit wird nur mnemotechnisch genutzt und soll weiter nichts implizieren. Dagegen werden die beiden Argumente transitiver Verben wie schlagen oder sehen in Anlehung an ihre semantischen Standard-Rollen mit A und P (in mnemotechnisch motivierter Anlehnung an Agens und Patiens) bezeichnet. Es ergibt sich also:
Ich gehe. | |
S | |
Ich sehe | dich. |
A | P |
Sprachen wie das Deutsche benutzen ein und denselben Kasus, den Nominativ, um S und A zu kodieren. Um P zu kodieren, wird ein anderer Kasus verwendet: der Akkusativ. Andere Sprachen benutzen hingegen einen Kasus, den Absolutiv, um S und P zu kodieren, und einen anderen, den Ergativ, um A zu kodieren. Vgl. die entsprechenden Sätze im Dyirbal:
nguma | banaganyu | |
Vater-Absolutiv | kam zurück | |
'Vater kam zurück' |
nguma | yabungu | buran |
Vater-Absolutiv | Mutter-Ergativ | sah |
'Mutter sah Vater' | ||
(Beispiele nach Faarlund 1988: 201) |
Gewöhnlich werden Sprachen mit einer Nominativ-Akkusativ-Organisation als "Subjektsprachen" bezeichnet, womit "Subjekt" zugleich als 'einheitliche Kodierung von S und A' definiert wäre. Allerdings haben Autoren wie Faarlund (ibd.) darauf verwiesen, dass man bestimmte Subjekt-typische Eigenschaften auch in Ergativ-Sprachen aufzeigen kann, wobei dann dem Absolutiv die Rolle des Subjektkasus zukäme. Dabei verweist er vor allem auf die prototypische Eigenschaft von Subjekten, bei Referenzidentität beim zweiten Vorkommen weglassbar zu sein. [1] Eine solche Definition von Subjekt nähert sich tendentiell wieder älteren Beschreibungen im Sinne Keenans (1976) an, kann aber auch als Anlass für eine andere Deutung gesehen werden: Dann wäre das Subjekt einer beliebigen Sprache stets dasjenige Element, in dem zwei der genannten drei syntaktischen Rollen kodiert sind.
Eine weitere Eigenschaft von Subjekten, die auch unter verschiedenen definitionsansätzen ebenfalls Anspruch auf universelle Gültigkeit erheben könnte, ist die Numerus-Kongruenz des finiten Verbs mit dem Subjekt.[2] Diese Eigenschaft wird von Marga Reis (1982) als notwendig für das Vorliegen eines Subjekts vorausgesetzt und veranlasst sie daher zu der Ansicht, dass es im Deutschen keine Subjekte gibt (oder dass zumindest der Begriff für die Beschreibung des Deutschen irrelevant ist). Denn bei zwei (oder mehr) Subjektsätzen tritt keine Plural-Kongruenz des Verbs auf. Cf.
Dass Hans nicht gekommen ist und dass dieser Blödmann außerdem noch nicht mal angerufen hat, ärgert mich maßlos.
Daraus folgt für Reis, dass eine echte Bezugs-NP für Kongruenz nötig ist und dass daher die Kongruenzregel im Deutschen nur Nominativ-bezüglich, nicht aber Subjekt-bezüglich ist (ibd. 194 f.).
Ein aus zwei Nebensätzen bestehenden Subjekt scheint auf den ersten Blick eine Besonderheit des Deutschen zu sein. Nachbarsprachen wie das Englische lassen solche Konstruktionen nicht zu, sondern verlangen die formale Realisierung eines Subjekts in Form eines kataphorischen oder anaphorischen Pronomens. Cf.:
Englisch:
It's annoying that he didn't come and that he didn't even call, either!
Französisch:
Qu'il ne soit pas venu et qu'il n'ai même pas téléfoné, ça/cela m'énerve.
Das Serbische wiederum, eine pro-drop-Sprache, lässt Konstruktionen wie die folgende zu:
Nervira | me | da nije dosao i da cak nije ni zvao |
ärger-3.Pers.Sing. | mich | dass er nicht gekommen ist und dass er nicht einmal angerufen hat. |
Damit lassen sich folgende Fälle unterscheiden:
Für alle drei Typen gilt jedoch gleichermaßen: sowohl das Finitum als auch das Korrelat stehen im Singular.
Offensichtlich können Sätze in den indoeuropäischen Sprachen nicht nur keinen Plural bilden, sondern sie können auch nicht durch ein Plural-Pronomen wieder aufgenommen werden, selbst wenn ein solches in dt. die/diese/jene, engl. these/those oder serbisch ova/ta/ona durchaus zur Verfügung steht. Andere Sprachen können demgegenüber durchaus mit einem Plural auf zwei Sätze Bezug nehmen, und zwar sowohl in der Pronominalisierung als auch im Finitum. Als Beispiel soll hier das Türkische dienen. [3] Cf.
Deutsch
Peter ist nicht gekommen. Klaus schwänzt auch schon wieder. Das (alles) ärgert / *Die (alle) ärgern mich ziemlich. [4]
Türkisch:
Koray | gelmedi. | Hakan | da | yine | okulu | asIyor. |
Koray | NEG-kam | Hakan | auch | wieder | Schule-DAT | schwänzt. |
Bütün | bunlar | beni | oldukça | öfkeleniriyor. |
Alles | DEM-PLURAL | mich | ziemlich | wütend-macht. |
Damit ist aber zugleich der Grund für die Singular-Kongruenz des Prädikats gefunden: Sätze werden im Deutschen auf allen Ebenen, auch auf der von Pronominalisierungen, durch einen Singular repräsentiert. Die Sätze selbst können offenbar gar keine selbständigen Satzteile bilden; es ist das Korrelat, das diese Aufgabe jeweils übernimmt. Für Dativ-, Präpositional- oder Genetivobjekte ist die Wiederaufnahme durch ein Pronomen oder Pronominaladverb ohnehin zwingend (cf. Hentschel/Weydt 1994: ); nur bei Subjekten und Akkusativobjekten ist sie unter bestimmten Bedingungen nicht nötig. Obligatorisch ist das gelegentlich auch als "Subjekt des übergeordneten Satzes" (Duden 61998: 636) bezeichneten Korrelat bei Nachstellung des Subjektsatzes, nicht möglich bei Vorfeldbesetzung durch den Subjektsatz. Es kann bei besonderer Betonung durch das ersetzt werden; typischerweise ist das jedoch im Vorfeld weniger idiomatisch als es [5] Nur das kann auch anaphorisch gebraucht werden, während es auf kataphorische Verwendung beschränkt ist. Allerdings muss diese demonstrative Wiederaufnahme des Subjekts dann unmittelbar auf den Subjektsatz folgen; eine andere Stellung im Satz steht nicht zur Verfügung. Dies zeigt, dass es sich dabei nicht wirklich um ein Korrelat, sondern um eine Art semantischer Reduplikation, um eine doppelte Nennung des Subjekts zu Betonungszwecken handelt, wie sie auch in Das Essen, das war vielleicht scheußlich! vorliegt. Die folgenden Beispiele sollen dies illustrieren: [6]
Finiter Satz:
Es/?das ist mir jetzt langsam egal, ob er kommt oder nicht.
Langsam ist es/*das mir jetzt egal, ob er kommt oder nicht.
Lamgsam ist mir es/?das jetzt egal, ob er kommt oder nicht.
Ob er kommt oder nicht, ist (*es/*das) mir jetzt langsam egal.
Ob er kommt oder nicht, das/?es ist mir jetzt langsam egal.
Infinitivkonstruktion:
Es/?Das macht mir immer Spaß. mich mit ihr zu unterhalten.
Spaß macht (es/*das) mir immer, mich mit ihr zu unterhalten.
Mich mit ihr zu unterhalten, macht mir (*es/*das) Spaß.
Mich mit ihr zu unterhalten, das/?es macht mir Spaß.
Es steht zu vermuten, dass die je nach den Stellungsverhältnissen mal obligatorischen, mal fakultativen Pronomina, durch die "extraposed subject clauses" (Abraham 1993: 119) im Matrixsatz vertreten werden, allen syntaktischen Strukturen gleichermaßen zugrunde liegen. Damit kann aber das fehlende oder jedenfalls an der Oberfläche nicht sichtbare Korrelat schlicht als ein Fall von pro-drop angesehen werden. Auch ein Blick auf den Übergang von regelmäßigem pro-drop (Beispiel Serbisch) zu obligatorischer pro-Verwendung (Beispiel Englisch) legt diese Vermutung nahe. Das Deutsche repräsentiert einen Zwischenschritt, worauf auch die historischen Befunde, die Abraham (1993) erhoben hat, deutlich hinweisen. Die Annahme "pro-drop eines Singular-Pronomens" würde also gleichzeitig den scheinbaren Verstoß gegen die Numerus-Kongruenz erklären und ein Licht auf den syntaktischen Status des wiederaufnehmenden Pronomens werfen.
Ob und wann ein korrelatives es gesetzt wird, unterliegt einer relativ komplexen Regel, die seine syntaktische Funktion ebenfalls deutlich spiegelt. Bei leerem Vorfeld ist es obligatorisch; bei Vorfeldbesetzung durch andere Satzteile als den Subjektsatz kann es fakultativ gesetzt werden kann, bei Vorfeldbesetzung durch den Subjektsatz (und damit durch das eigentliche Subjekt) ist ein zusätzliches es jedoch ausgeschlossen. Zitterbart (2002: 58) geht nur dann von einem "echten" Korrelat aus, wenn es auch bei Nachstellung des Subjektsatzes obligatorisch ist (Beispielsatz dort: Dem Autor(...) ist es gelungen, (...) vorzudringen). Da die scheinbare Obligatorik des es in solchen Fällen aber nicht vom Verb im Matrixsatz, sondern von den Thema-Rhema-Verhältnissen abhängig ist (cf. den Originalbeleg Darüber hinaus ist ihm gelungen, durch die gleichzeitige Veröffentlichung weiterer Beiträge über die Bole den Bogen der Geschichte bis in die Gegenwart zu spannen (...); Meyer-Bahlburg 1998: 149), ist diese Unterscheidung höchst problematisch.
Festzuhalten bleibt: Als Basis-Satzordnung im nicht-abhängigen Assertionssatz sieht das Deutsche die Frontstellung des Subjekts vor. Das Vorfeld kann zwar alternativ durch andere Satzteile besetzt werden; ist dies aber nicht der Fall, so tritt hier wie in allen im Folgenden noch zu beschreibenden Konstruktionstypen obligatorisch ein semantisch leeres "Dummy"-Element an seine Stelle, das durch das Personalpronomen der 3. Person Singular Neutrum es realisiert wird.
Der nächste Typ von es-Vorkommen, den es zu untersuchen gilt, tritt bei unpersönlichen Verben auf. Was unter einem unpersönlichen Verb oder, allgemeiner, unter einer unpersönlichen Konstruktion zu verstehen ist, wird zwar mehrheitlich, aber doch nicht überall gleich definiert. Gewöhnlich wird unter einer unpersönlichen Form eine Konstruktion mit einem finiten Verb verstanden, bei der dem Subjekt keine Argument-Rolle zukommt, also auch kein generalisiertes oder indefinites Agens möglich ist (cf. z. B. Crystal 1997: 286, Glück 2000: 762). Damit ist die Besetzung der semantisch leeren Subjektstelle durch ein Substantiv oder durch ein "echtes", also referentielles, Pronomen ausgeschlossen. Nur ein semantisches leeres, funktional ausschließlich syntaktisches Element, wie es im Deutschen durch das Personalpronomen der 3. Person Singular Neutrum repräsentiert wird, kann als "dummy subject" in der Subjektposition erscheinen. Abweichend hiervon werden gelegentlich auch Konstruktionen mit einem indefiniten, generalisierten oder "generischen" Agens, also beispielsweise Konstruktionen mit dem deutschen man (cf. Man sagt, dass...), dem französischen on (cf. On dit que...) oder mit dem 3. Person Plural in slawischen Sprachen (cf. russisch govorjat, serbisch kazu 'man sagt') dazu gerechnet (Moreno 1990: 255). [7] Ein so gefasster Begriff der Unpersönlichkeit müsste bei genauer Betrachtung dann auch Sätze mit generalisiertem 'du' (cf. engl. You never know) oder dem in manchen Sprachen ebenso möglichen generalisierten 'wir' (vergleichbar mit deutschen Konstruktionen wie Wir wissen nie, wann uns die Stunde schlägt) implizieren. Es zeigt sich schnell, dass diese rein semantische definierte Art der Unpersönlichkeit für eine syntaktische Analyse wenig hilfreich ist.
Unter den Verben, die im Aktiv nur unpersönliche Bildungen zulassen, kann man Verben mit Rektion von solchen ohne Rektion trennen. Bei denjenigen, die eine Rektion aufweisen, lassen sich weiter solche mit obligatorischem von solchen mit fakultativem es unterscheiden
Unpersönliche Verben ohne Rektion liegen beispielsweise in den folgenden Sätzen vor:
Gestern hat es geregnet/geschneit/gestürmt...
In Wald und Flur grünte und blühte es.
In der semantischen Gruppe der Vorgangsverben zur Bezeichnung von Naturprozessen - das sind die per se unpersönlichen Witterungsverben wie regnen, schneien etc. sowie unpersönlich gebrauchte Verben des Typs grünen und blühen, die auch eine persönliche Variante haben - , finden sich nur Verben, die keine Argumentstellen eröffnen. Bei diesen Verben steht obligatorisch ein es in der Subjektposition, das in der Umgangssprache durch das ersetzt werden kann (cf. Das regnet heute vielleicht!). Der Grund für die obligatorische Besetzung der semantisch leeren Subjektstelle kann in der Tatsache gesucht werden, dass dieser Konstruktionstyp das Vorkommen von Argumenten irgendwelcher Art von vorneherein ausschließt und ausschließlich auf der Semantik des Verbs basiert. Dies scheint dazu geführt zu haben, dass die syntaktische Struktur klar markiert werden muss. Die regelmäßige offene Markierung des semantische leeren Subjekts hat sich sprachgeschichtlich erst im Mittelhochdeutschen entwickelt: Abraham (1993: 124) zeigt anhand einer Reihe von Beispielsätzen, dass im Althochdeutschen bei Witterungsverben wie auch in allen anderen hier behandelten Fällen noch pro drop die Regel war.
Beispiele für unpersönliche Verben mit Rektion, bei denen zugleich ein obligatorisches es auftritt, finden sich z. B. in den folgenden Sätzen:
Dabei handelte es sich um einen Unfall.
Im Folgenden geht es um eine wichtige Frage.
Darauf kommt es nicht an.
Wie geht es ihr?
Derzeit gibt es viel zu tun..
Ebenfalls hierher gehört unpersönliches kommen zu (Es kam überall zu Verspätungen), stehen um/mit (Es steht nicht gut um ihn; Wie steht es damit?) sowie möglicherweise auch gelten (Es gilt jetzt die Nerven zu behalten). Letzteres stellt allerdings insofern eine Besonderheit dar, als es keine Kasus- oder Präpositionalrektion aufweist, sondern eine Infinitivkonstruktion verlangt. Die Gruppe besteht somit aus einigen auf den ersten Blick recht unterschiedlichen Verben, die auch aus ganz verschiedenen semantischen Bereichen stammen. Themenbezeichnungen mit sich handeln um und gehen um (zur selben Gruppe kann auch die Rede sein von gerechnet werden, siehe hierzu im Folgenden unter 5.3) stehen neben der Angabe der Befindlichkeit einer Person oder Sache durch gehen mit Dativ und stehen mit Präpositionalrektion (um/mit) sowie den Existenzangaben mit geben und Akkusativ und kommen zu, welches gegenüber geben einen dynamischen Aspekt verkörpert.
Das hier obligatorische es wird in den Grammatiken mehrheitlich als Subjekt betrachtet und bezeichnet (Duden 61998: 636: "Subjekt"; Helbig/Buscha 2001: 243: "formales Subjekt"). Die Ersetzung durch das ist in diesen Fällen von fraglicher Akzeptabilität (cf. ?Das handelt sich um eine wichtige Frage; ??Das geht mir gut). Die Tatsache, dass es hier trotz der Tatsache nicht weglassbar ist, dass die in obliquen Kasus hinzutretenden Argumente semantisch als sog. logische Subjekte fungieren, kann in diesen Fällen möglicherweise damit erklärt werden, dass sämtliche hier auftretenden Verben auch eine andere, persönliche Lesart mit einer grundlegend anderen Bedeutung haben (cf. ich handle, gehe, stehe, komme, gebe). Die Bedeutung des Verbs ist ausschließlich davon abhängig, ob es persönlich oder unpersönlich gebraucht wird. Auch kann bei persönlicher Konstruktion die gleiche Rektion auftreten, cf. z. B. die Akkusativrektion in den beiden Sätzen Ich gebe auf diese Frage keine Antwort vs. Es gibt auf diese Frag keine Antwort.[8] Insofern kann die obligatorische Angabe eines formalen Subjekts als verständnissichernde Markierung im Sinne einer Desambiguierung der Konstruktion aufgefasst werden.
Eine dritte Gruppe von unpersönlichen Verben weist zwar ebenfalls Rektion auf, das es ist hier jedoch fakultativ:
Es graut/graust mir vor Dir.
Mir graut/graust (es) vor Dir.
Es friert/fröstelt/gruselt mich.
Mich friert/fröstelt/gruselt (es). [9]
Bei unpersönlichen Verben, die Rektion und fakultatives es aufweisen, handelt es sich semantisch durchgehend um solche Verben, die die persönliche Befindlichkeit einer Person ausdrücken, die im Akkusativ oder Dativ angefügten wird. Hier muss es nur gesetzt werden, wenn das Vorfeld nicht anderweitig besetzt ist; Ersetzbarkeit durch das ist nicht gegeben (cf. *Das friert mich).
Die auffällige inhaltliche Struktur solcher Sätze mit semantisch leerem syntaktischem Subjekt und sog. logischem Subjekt im Dativ oder Akkusativ - also einer Person, deren Befindlickeit im Satz ausgedrückt wird, in Objektposition - hatte Helbig/Buscha (181998: 393) wohl dazu gebracht, hier leicht irreführend von einem "Korrelat zum logischen Subjekt" zu sprechen. Dass es in diesen Fällen nicht obligatorisch ist, hängt vermutlich damit zusammen, dass trotz möglicher alternativer Konstruktionen mit persönlichem Subjekt wie ich friere und ich grusle mich keine Verwechslungsmöglichkeit gegeben ist. Das im Verb ausgedrückte Geschehen bleibt bei persönlichem wie unpersönlichem Gebrauch immer gleich, und das einzige Argument der Sätze hat unabhängig von der syntaktischen Funktion, die ihm zugewiesen wird, stets dieselbe semantische Rolle inne.
Ganz parallel zu unpersönlichen Aktivkonstruktionen soll auch beim Passiv nur dann von einer unpersönlichen Konstruktion die Rede sein, wenn die Subjektposition entweder leer oder nur durch das "Dummy"-Pronomen der 3. Person Singular Neutrum besetzt ist sowie nicht - oder nur unter Inkaufnahme einer Veränderung in Satzstruktur und Bedeutung - mit einem anderen Element gefüllt werden kann.
Unpersönliches Passiv kann sowohl von transitiven als auch von intransitiven Verben gebildet werden. Es handelt sich dabei stets um ein Vorgangspassiv, i. e. um eine mit dem Hilfsverb werden gebildete Form. Das Subjekt der unpersönlichen Passivkonstruktion wird nur dann durch es realisiert, wenn das Vorfeld nicht durch ein anderes Element besetzt wird. Die nachfolgenden Beispiele können dies illustrieren:
intransitive Verben:
Es wird dir bestimmt bald geholfen.
Bestimmt wird dir bald geholfen.
Es wurde überall nach Spuren gesucht.
Überall wurde nach Spuren gesucht.
transitive Verben:
Es wird täglich in diesen Räumen unterrichtet.
In diesen Räumen wird täglich unterrichtet.
Es wurde stundenlang für die Feier gekocht und gebacken.
Für die Feier wurde stundenlang gekocht und gebacken.
Die Struktur des Satzes ist offenbar bereits morphologisch so deutlich markiert, dass die Subjektstelle nur bei fehlendem Vorfeld besetzt werden muss. Andernfalls reichen die übrigen Merkmale aus, um die Konstruktion eindeutig zu dekodieren, und im Unterschied zu den vorgenannten Fällen ist keine Desambiguierung nötig.
Beispiele für Kopula-Konstruktionen ohne Rektion und ohne die Möglichkeit, einen dativus iudicantis oder ethicus [10] anzufügen, sind etwa die folgenden:
Es ist regnerisch/neblig/drückend/bewölkt...
Heute ist es regnerisch/neblig/...
Dieser Satztyp enthält neben dem es und der Kopula ein Prädikativum in Form eines Adjektivs oder eines Partizips; weiteren Zusätze, etwa in Form eines Objekt zweiten Grades oder eines Dativus iudicantis, sind nicht möglich. Die Besetzung der Subjektstelle mit es ist durchweg obligatorisch. Umgangssprachlich kann es in diesen Fällen gelegentlich durch das ersetzt werden (cf. Das ist vielleicht neblig heute!). Semantisch handelt es sich bei diesem Konstruktionstyp um Witterungseindrücke.
Gelegentlich (so etwa bei Abraham 1993: 119 et passim) werden fälschlich auch Konstruktionen des folgenden Typs zu dieser Kategorie gerechnet.
Es ist Donnerstag/Weihnachten/der richtige Zeitpunkt...
Jetzt ist (es) schon Donnerstag/Weihnachten/der richtige Zeitpunkt...
Abweichend von den vorigen Beispielen ist die Setzung des es ist in diesen Fällen nur nötig, wenn das Vorfeld nicht anderweitig besetzt ist. Eng verwandt hiermit ist auch die formelhafte Märcheneinleitung es war einmal, die allerdings bei Umstellung gar kein es mehr zulässt:
Es war einmal ein Drache, der lebte in einer Höhle tief im Gebirge.
*Einmal war es ein Drache, der lebte in einer Höhle tief im Gebirge.
Hier ist die strukturelle Grenze zum Typ des "wiederaufnehmenden es ohne Genuskongruenz" (Cho 1975: 14), das in Sätzen wie Bist du es? vorliegt, gelegentlich schwer zu ziehen. Aber das eigentliche Problem liegt auf einer ganz anderen Ebene: in all diesen Fällen handelt es sich bei es nicht um das (formale) Subjekt, sondern das Prädikativum des Satzes. Nun sind Subjekt und Prädikativum bekanntlich nicht immer einfach zu unterscheiden, und oft hängt es allein von der Satzstellung ab, welche der beiden Rollen einem Satzteil zukommt (cf. Die Hauptstadt von China ist Peking vs. Peking ist die Hauptstadt von China).[11] Dennoch kann die Erststellung des es in den vorliegenden Fällen nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass es sich dabei um das Subjekt handelt, denn es zeigt sich, dass die Numeruskongruenz des Verbs auch bei gleichbleibender Satzstellung dem zweiten Teil des Satzes folgen muss:
Es sind die Zeitpunkte, auf die es ankommt.
Es waren Donnerstage wie alle anderen auch.
Es waren einmal zwei Drachen, die...
Die Tatsache, dass es sich hier also um einen syntaktisch anders zu fassenden Typ von es-Vorkommen handelt, kann zugleich als Erklärung dafür angesehen werden, warum hier im Gegensatz zu den vorgenannten Konstruktionen des Typs Heute ist es schwül kein obligatorisches es erscheint.
Kopula-Konstruktionen mit dativus iudicantis, der hier obligatorisch ist, liegen in den folgenden Sätzen vor:
Es ist mir kalt/unwohl/schlecht/unheimlich/angst/bange...
Mir ist (?es) kalt/unwohl/schlecht/unheimlich/angst/bange...
In diesem Satztyp kann das Prädikativum von einem Adjektiv [12] gebildet werden. Der Dativ gibt die Person an, in deren Wahrnehmung (oder Urteil) der jeweilige Sinneseindruck vorliegt. Es handelt sich also um einen klassischen dativus iudicantis. In solchen Fällen ist der Dativ nicht oder nur unter Inkaufnahme einer Veränderung der Satzbedeutung (cf. Mir ist warm vs. Es ist warm) weglassbar. Dies hat rein semantische Gründe: die urteilende Person ist zugleich die Instanz, durch deren Wahrnehmung die im Prädikativum enthaltene Aussage überhaupt erst zustande kommt. Die in den Sätzen ausgedrückten Phänomene Angst, Wärmegefühl, Übelkeit etc. existieren jeweils nur in Bezug auf die Person, die sie empfindet.
Der Ausdruck des Subjekts durch es ist in diesem Satztyp obligatorisch, wenn das Vorfeld nicht anderweitig besetzt ist; sonst erfolgt er fakultativ, ist allerdings sehr selten und bei einigen Adjektiven wie z. B. schlecht auch schlicht ungrammatisch. Ersetzbarkeit durch das ist in diesen Fällen auch umgangssprachlich nicht gegeben (cf. *Das ist mir schlecht). Semantisch handelt es sich durchgehend um die Angabe der Befindlichkeit des im Dativ angefügten "logischen Subjekts". Dass es hier nicht obligatorisch ist, kann damit erklärt werden, dass dieser Satztyp nur ein Argument enthält, dessen Rolle eindeutig ist.
Mit Präpositionalrektion erscheint die Kopula-Konstruktionen in:
Es ist überall die Rede von einer Krise.
Von einer Krise kann keine Rede sein.
Dieser Satztyp weist ein substantivisches Prädikativum auf, das durch eine Präpositionalphrase als sog. Rektionsattribut (Terminus nach Hentschel/Weydt 1994) ergänzt wird. Es steht nur, wenn das Vorfeld nicht anderweitig besetzt ist; sonst ist sein Gebrauch nicht möglich. Auch Ersetzbarkeit durch das ist nicht gegeben. Möglicherweise ist die Rede sein von zugleich die einzige Konstruktion dieses Typs. Sie kann als ein Sonderfall einer Nominalisierung angesehen werden, die hier nicht durch ein Funktionsverbgefüge, sondern durch eine Kopulakonstruktion erfolgt; semantisch entspricht sie den unpersönlichen Verben zur Themenbezeichnung wie sich handeln um und gehen um (siehe hierzu im Vorigen).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Kopulakonstruktionen mit Prädikativum nur bei Typ A zwingend ein es als Subjekt erforderlich machen, also nur dann, wenn es sich beim Prädikativum um ein Adjektiv handelt, das nicht durch die Angabe der urteilenden Person ergänzt wird. Ein Grund für diese Tatsache könnte darin liegen, dass die Prädikation des Satzes in diesen Fällen ausschließlich vom prädikativen Adjektiv getragen wird und keinerlei weiteren Argumente vorhanden sind. Vermutlich ist es diese argumentative "Kargheit", die dazu führt, dass die syntaktische Struktur einschließlich des semantisch leeren Subjekts explizit sichtbar gemacht werden muss.
Ein sog. expletives es, auch als "Platzhalter" (Duden-Grammatik 1998: 636; Helbig/Buscha 2001: 241) oder als " Vorfeld-es" (Eisenberg 1999: 175) bezeichnet, hat die Funktion, das Subjekt zu rhematisieren. Es ist stilistisch markiert und findet sich in Sätzen wie:
Es lebte einst ein großer Drache in einer Höhle tief im Gebirge.
Diesem Element werden normalerweise rein perspektivische Funktionen zugeschrieben. Auf die Kongruenz des Prädikats hat es keinen Einfluss, wie der folgende Satz illustriert:
Es machten sich drei edle Ritter auf den Weg zu dem Drachen.
Damit ist es in der Tat gut mit expletiven Elementen in anderen Sprachen vergleichbar, so etwa englisch there in There was a dragon living in the woods.
Schwierigkeiten treten indessen auf, wenn bei expletivem es zweimal dasselbe Subjekt auftritt. Hier zeigt sich plötzlich, dass die zweite Subjekt-Regel, nämlich "Identische Subjekte können bei der zweiten Nennung weggelassen werden" offenbar nicht mehr uneingeschränkt gültig ist. Sätze wie
?Es blüht der Flieder und duftet.
sind von fragwürdiger Akzeptabilität, obwohl beide Prädikate einwertig sind und damit ideale Voraussetzungen für den Gebrauch des expletiven es gegeben sind. Entsprechend stellen die beiden Einzelsätze
Es blüht der Flieder.
Es duftet der Flieder.
kein Akzeptanzproblem dar.
Um zu überprüfen, wie die Akzeptabilität derartiger Konstruktionen mit expletivem es und zweifacher Prädikation von Personen mit Deutsch als Muttersprache beurteilt werden, wurden die folgenden Sätze 37 Studierenden mit Studienschwerpunkt Deutsch als Fremdsprache zur Beurteilung vorgelegt. Dabei wurden jeweils identische Sätze mit und ohne expletives es verwendet; die Sätze wurden in unterschiedlich gemischter Reihenfolge vorgegeben. Ein typischer Fragebogen sah folgendermaßen aus:
Bitte stellen Sie sich vor, Sie würden von einer ausländischen Kommilitonin um eine Beurteilung der folgenden Sätze gebeten.
Bitte benutzen Sie eine Note von 1 bis 5 und schreiben Sie sie in das Kästchen vor dem Satz.
1 = der Satz ist völlig korrekt und wohlgeformt
2 = der Satz ist korrekt
3 = der Satz ist zwar korrekt, aber nur gerade mal so eben / aber klingt nicht gut
4 = der Satz klingt schief; es ist nicht sicher, ob er überhaupt korrekt ist
5 = der Satz ist inakzeptabel.
Wölfe wurden gejagt und entkamen.
Es kamen Wanderer den Berg heruntergeklettert und sangen dabei.
Es hatte ein Mann Hunger und ging nach Hause.
Der Biber wurde gejagt und wäre beinahe ausgestorben.
Wanderer kamen aus dem Dorf und sangen.
Es wurde der Biber gejagt und wäre beinahe ausgestorben.
Ein Mann kam ins Zimmer und setzte sich.
Es kamen Wanderer aus dem Wald und sangen.
Es kam eine Frau ins Zimmer und setzte sich.
Ein Mann hatte Hunger und ging nach Hause.
Es wurden Wölfe gejagt und entkamen.
Dabei ergaben sich beispielsweise für den Satz Wölfe wurden gejagt und entkamen und sein Gegenstück Es wurden Wölfe gejagt und entkamen folgende Werte:
Wölfe wurden gejagt und entkamen.
Modus: 2 Durchschnitt: 2,8
"1" und "2" zusammen | 18 | 49% |
"4" und "5" zusammen | 10 | 27% |
Es wurden Wölfe gejagt und entkamen. Modus: 5 Durchschnitt: 4,2
"1" und "2" zusammen | 0 | 0% |
"4" und "5" zusammen | 30 | 81% |
Wie sich zeigt, wird der Satz offenbar auch ohne das expletive es nicht als der gelungenste aller Sätze empfunden, wobei möglicherweise auch die Tatsache eine Rolle spielt, dass man hier eher ein aber als ein und erwarten würde. Dennoch ergibt sich ein Modus - der angesichts der kleinen Samplegröße sicher zunächst der interessantere Wert ist - von 2; mit anderen Worten, der Satz wurde mehrheitlich zwischen "korrekt" und "korrekt, aber klingt nicht so gut" angesiedelt.
Dieses Urteil ändert sich prompt, wenn ein es gesetzt wird: am häufigsten wird nunmehr mit der Note 5 das Verdikt "inakzeptabel" ausgesprochen, und auch der Durchschnitt liegt mit 4,2 zwischen "fraglich, ob noch akzeptabel" und "inakzeptabel". Dafür lassen sich zwei mögliche Gründe annehmen: die semantisch nicht ganz passende Konjunktion und und der Bruch zwischen einer Aktiv- und einer Passiv-Konstruktion, also die wechselnde Zuweisung einer Patiens- und einer Agens-Rolle an das rhematisierte Subjekt. Dass insbesondere der Wechsel von Aktiv- und Passivkonstruktion für die schlechtere Akzeptabilität verantwortlich sein könnte, scheint auch das folgende Beispiel nahe zu legen, wo bereits der Satz ohne expletives es nur einen Modus von 3 aufweist, während der Satz mit es mehrheitlich als völlig inakzeptabel bewertet wurde:
Der Biber wurde gejagt und wäre beinahe ausgestorben.
Modus: 3 Durchschnitt: 3,1
"1" und "2" zusammen | 10 | 28% |
"4" und "5" zusammen | 11 | 31% |
Es wurde der Biber gejagt und wäre beinahe ausgestorben Modus: 5 Durchschnitt: 4,3
"1" und "2" zusammen | 0 | 0% |
"4" und "5" zusammen | 30 | 81% |
Solche Einwände lassen sich indessen nicht auf das folgende Satzpaar anwenden:
Ein Mann hatte Hunger und ging nach Hause.
Modus: 1 Durchschnitt: 1,7
"1" und "2" zusammen | 32 | 87% |
"4" und "5" zusammen | 3 | 8% |
Es hatte ein Mann Hunger und ging nach Hause. Modus: 4 Durchschnitt: 3,7
"1" und "2" zusammen | 0 | 0% |
"4" und "5" zusammen | 22 | 60% |
Was kann hier der potentielle Störfaktor gewesen sein? Möglicherweise stört das Objekt in der einen, die Adverbialbestimmung in der anderen Hälfte, und zwei völlig gleichartig strukturierte Prädikate würden die Zusammenfassung der Sätze erleichtern. Das Ergebnis der Befragung zu den folgenden Sätzen kann diese Vermutung indessen nicht bestätigen:
Ein Mann kam ins Zimmer und setzte sich.
Durchschnitt: 1,2 Modus: 1
"1" und "2" zusammen | 36 | 97% |
"4" und "5" zusammen | 0 | 0% |
Es kam eine Frau ins Zimmer und setzte sich.
Modus: 2 Durchschnitt: 2,3
"1" und "2" zusammen | 18 | 47% |
"4" und "5" zusammen | 9 | 24% |
Obgleich das eine Prädikat eine Adverbialbestimmung enthält und das andere ein reflexives Objekt, ist der Satz mit dem expletiven es nur ein bisschen weniger akzeptabel als der ohne. Dasselbe gilt für den folgenden Satz, der völlig asymmetrisch strukturiert ist:
Wanderer kamen aus dem Dorf und sangen.
Modus: 1 Durchschnitt: 1,6
"1" und "2" zusammen | 30 | 81% |
"4" und "5" zusammen | 0 | 0% |
Es kamen Wanderer aus dem Wald und sangen.
Modus: 2 Durchschnitt: 2,6
"1" und "2" zusammen | 20 | 54% |
"4" und "5" zusammen | 8 | 22% |
Und schließlich: das anfangs erwähnte Satzpaar mit dem Flieder, völlig symmetrisch gebaut, erhielt demgegenüber die folgende Bewertung (hier durch eine größere Gruppe von 49 Befragten):
Der Flieder blüht und duftet.
Modus: 1 Durchschnitt: 1,4
"1" und "2" zusammen | 48 | 98% |
"4" und "5" zusammen | 0 | 0% |
Es blüht der Flieder und duftet.
Modus: 3 Durchschnitt: 3,1
"1" und "2" zusammen | 11 | 22% |
"4" und "5" zusammen | 15 | 31% |
Während niemand unter den Befragten den ersten Satz für fragwürdig oder gar inakzeptabel hielt, taten dies beim zweiten immerhin fast ein Drittel, und nur noch ein Fünftel hielt den Satz mit expletivem es für völlig in Ordnung.
Aus diesen Ergebnissen lässt sich zuallererst ablesen, dass bezüglich der Akzeptabilität von Sätzen mit expletivem es und zwei Prädikaten eine relative Unsicherheit besteht. Die Streuungen werden jeweils größer, und die hohen Akzeptanzwerte von über 90%, die sich bei den Sätzen ohne expletives Element zeigen, werden nirgends erreicht. Daraus lässt sich schließen, dass hier ein nicht vollständig geregelter Randbereich der Grammatik vorliegt, der sich möglicherweise derzeit wandelt.
Dennoch soll der Versuch unternommen werden, wenigstens nach einer tendenziellen Regel für die Akzeptabilität von es-Konstruktionen mit doppelten Prädikaten zu suchen. Möglich wäre beispielsweise eine semantische Regel des folgenden Typs:
Regel 1
Die Akzeptabilität erhöht sich in dem Maße, in dem die beiden Prädikate semantisch zusammenhängen und als einheitlicher Vorgang in der außersprachlichen Wirklichkeit gedeutet werden können (z. B. 'hereinkommen' und 'sich setzen', 'aus dem Wald kommen' und 'singen').
Dieser Regel widerspricht allerdings die Beobachtung, dass der blühende und duftende Flieder in einer expletiven Konstruktion wenig akzeptabel zu sein scheint. Hier kann nun eine Zusatzregel angenommen werden, die folgendermaßen lauten könnte:
Regel 2
Wenn es strukturell möglich ist, müssen die beiden Prädikate vor dem Subjekt zusammengefasst werden.
Diese Stellung ist immer dann möglich, wenn einteilige Prädikate ohne Zusätze wie Objekte oder Adverbialbestimmungen stehen. Der Flieder-Satz hätte eine solche Zusammenfassung als
Es blüht und duftet der Flieder
nicht nur zugelassen, sondern offensichtlich auch erforderlich gemacht. Ob die hier aufgestellte Hypothese, dass neben syntaktisch-strukurellen in erster Linie semantische Kriterien für die Möglichkeit ausschlaggebend sind, verschiedenen Prädikate in einer es-Konstruktion zu verwenden, muss noch durch weitere Untersuchungen abgesichert werden. Wenn dem aber so ist, dann läge hier ein Fall von Vorrang der Semantik vor der Syntax vor, wie er sich ja auch in einigen anderen der besprochenen Fälle abzuzeichnen scheint.
1 Faarlund (1988: 201) führt weiter aus: "The absolutive marks the pragmatically primary NP, whereas the ergative marks the semantically primary NP." Und weiter: "As a conclusion, then, I would like to claim that languages where semantic role and pragmatic reference are expressed by the same means, need a role changing morpho-syntactic process. If the primary NP in the two functions is expressed by means of the same case ot the same position, we have an accusative language with a passive transformation. if the two are expressed by different cases, we have an ergative language with an antipassive transformation." (ibd. 206) [zurück]
2 Dies kann selbstverständlich nur für Sprachen gelten, die Numeruskongruenz sowohl kennen als auch durchgehend anwenden, wie dies etwa im Deutschen der Fall ist. [zurück]
3 Zum Vergleich werden im Folgenden Hauptsätze herangezogen. Da die mangelnde Pluralfähigkeit nicht nur Neben-, sondern auch Hauptsätze des Deutschen (Englischen, Französischen, Serbischen etc.) betrifft, ist ein Vergleich damit ohne Weiteres möglich, obgleich das Türkische keine Nebensätze im Sinne der indoeuropäischen Sprachen kennt. [zurück]
4 Der Satz Die (alle) ärgern mich ziemlich ist dann korrekt, wenn mit die die vorgenannten Personen wieder aufgenommen werden sollen. [zurück]
5Vermutlich kommt das hier nur umgangssprachlich und beim Vorliegen bestimmter Betonungsverhältnisse vor.[zurück]
6 Die Akzeptabilitätsurteile können bei solchen Sätzen sehr unterschiedlich ausfallen, zumal viel von Betonung und Kontext abzuhängen scheint. Fragezeichen wurden immer dann gesetzt, wenn es Einwände gegen die Wohlgeformtheit des jeweiligen Satzes gab, wobei diese Einwände nicht von allen Befragten kommen mussten; Sternchen, wenn niemand unter den Befragten den Satz akzeptieren wollte. Andere Akzeptabilitätsurteile sind damit nicht ausgeschlossen.[zurück]
7 "Finally, there are impersonals that denote controlled events in which the controller is not specific, is a generic agent; this generic agent can be denoted by a special word such as German man, French on, Spanish se, or by an inflected verb form such as the third person plural typical of Russian and Spanish [(...)]. The impersonality of these constructions lies in the fact that the agent is not [+specific]." (Moreno 1990: 255)[zurück]
8 Dieser Unterschied zeigt recht deutlich, wie wenig gerechtfertigt eine Gleichbehandlung dieses Typs von Konstruktion mit solchen ist, die ein generalisiertes Subjekt aufweisen, denn die Konstruktionen Man gibt keine Antwort auf diese Frage und Es gibt keine Antwort auf diese Frage müssten dann als gleichartig angesehen werden. Es ist offensichtlich, dass sie dies nicht sind.[zurück]
9 Hierher gehören auch einige weitere, eher archaische oder nur noch regional gebräuchliche Wendungen wie mir schwindelt, mich hungert/dürstet, mich (mir) deucht/dünkt etc. [zurück]
10 Der dativus iudicantis wurde früher meist als eine Form des ethicus angesehen, und in vielen Sprachen ist eine trennscharfe Unterscheidung zwischen diesen beiden Dativen bis heute schwierig bis unmöglich. Im modernen Deutschen sind jedoch die alten Formen des ethicus nur noch in Resten erhalten, und nur der Typ des iudicantis ist noch durchgehend anzutreffen. Daher wird hier die speziellere Bezeichnung gewählt.[zurück]
11 Die Zuweisung der syntaktischen Rollen erfolgt in diesem Fall ausschließlich über die Satzstellung. Die unterschiedlichen semantischen Bezüge, die in diesen beiden Sätzen damit zugleich hergestellt werden, diskutiert Hengeveld (1992:82f.), der die Prädikation im ersten Fall als Spezifikation, im zweiten eine Charakterisierung bezeichnet. [zurück]
12 Ursprüngliche Substantive wie Angst und Bange, die in solchen Kontexten ebenfalls prädikativ auftreten, können weder mit Artikel stehen oder attribuiert werden (cf. *Es ist mir große Angst). Sie können daher trotz ihrer eindeutig substantivischen Herkunft problemlos als prädikative Adjektive behandelt werden.[zurück]
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Zitterbart, Jussara Paranhos (2002): Zur korrelativen Subordination im Deutschen. Tübingen.
Es in Subjekt-Position: Tabellarischer Überblick über die Vorkommensweisen im Deutschen
Konstruktionstyp |
Beispiel |
im Mittelfeld |
Semantik |
Ersatz: das |
Bezeichnung in Grammatiken |
Kopula-Konstruktionen |
|||||
nur Prädikativum, keine weiteren Zusätze |
Es ist regnerisch/neblig/dunkel... Heute ist es regnerisch... |
obligatorisch |
vorwiegend Witterungseindrücke |
ja |
"formales Subjekt" (Helbig/Busche 2001: 242) |
Prädikativum und Dativ |
Es ist mir kalt/wohl/ schlecht/unheimlich/ Angst/Bange... Mir ist (es) kalt/schlecht/ Angst/Bange... |
fakultativ, eher selten |
Befindlichkeit |
? |
"formales Subjekt" (Helbig/Busche 2001: 244) |
Prädikativum (Substantiv) und PP |
Es ist die Rede von neuen Verhandlungen. Von neuen Verhandlungen kann nicht die Rede sein. |
nicht möglich |
Themenbezeichnung |
nein |
unpersönliche Verben |
|||||
unpersönliches Verb ohne Rektion |
Es schneit/regnet /hagelt/stürmt... Es grünt und blüht in Wald und Flur. |
obligatorisch |
Vorgangsverben zur Bezeichnung von Naturprozessen, insbesondere Witterungsverben |
ja |
"expletives es" (Eisenberg 2000: 174); "formales Subjekt" (Helbig/ Buscha 2001: 242); "Subjekt (besonderer Art)" (Duden 1995: 111). |
unpersönliches Verb mit Rektion, es obligatorisch |
Es geht ihr gut. Es handelte sich um einen Unfall. Es geht dabei um eine wichtige Frage. Es steht nicht gut um ihn Wie steht es damit? |
obligatorisch |
sich handeln um und gehen um: Themenbezeichnung (siehe auch die Rede sein von); gehen mit Dativ und stehen mit/um Befindlichkeit. |
ja |
"fixes es" (Zifonun et al. 1997: 1082); "nicht-phorisches es" (ibd.); "formales Subjekt" (Helbig/Buscha 2001: 243). |
unpersönliches Verb mit Rektion, es nur im Vorfeld obligatorisch |
Es graut/graust mir vor Dir. Mir graut /graust (es) vor Dir. Es friert/fröstelt/ gruselt mich. Mich friert/ fröstelt /gruselt (es). |
fakultativ |
Befindlichkeit |
? |
"Formales Subjekt" (Helbig/Buscha 2001: 243) |
es als Korrelat im Matrixsatz |
|||||
Subjektsätze |
Es freut mich, dass du gekommen bist. Dass du gekommen bist, freut *es mich. Daher freut (es) mich, dass du gekommen bist. |
Fakultativ, nicht möglich bei Vorfeldbesetzung durch den Subjektsatz |
- |
ja |
"Korrelats-es" (Zifonun et al. 1997: 1082; Duden 1998: 636); "nicht-phorisches es) (ibd.); "Korrelat-es" (Eisenberg 1999: 176); Helbig/Buscha 2991: 241) |
Infinitivkonstruktionen |
Es macht mir keinen Spaß, hier dumm rumzusitzen. |
wie vor |
- |
ja |
wie vor |
andere Konstruktionstypen |
|||||
Präsentativ- oder Existentialsätze: |
Es leben Drachen in den Bergen. |
nicht möglich |
Rhematisierung des Subjekts |
nein |
"expletives es" (Zifonun et al. 1997: 1082), "Platzhalter" (ibd.; Helbig/Buscha 2001: 240; Duden 1998: 636); "nicht-phorisches es" (Zifonun et al, ibd.) Vorfeld-es (Eisenberg1999: 175); "Platzhalter" (Helbig/Buscha 2001: 241) |
Unpersönliches Passiv |
Es wurde gelacht/diskutiert... |
nicht möglich |
Passiv ohne Patiens |
nein |
"Platzhalter-es" (Duden 1998: 175) |