Die deutschen unflektierbaren Wörter sind mit Ausnahme von Präpositionen und Konjunktionen in den Grammatikbüchern bis vor gar nicht so langer Zeit entweder ganz unberücksichtigt geblieben oder zumindest recht stiefmütterlich behandelt worden. Trotz zahlreicher Forschungsarbeiten und erheblicher Fortschritte sind auch heute noch Mängel festzustellen. Um nur ein Beispiel zu geben: in der letzten Ausgabe der Duden-Grammatik (1998) ist zwar von ja die Rede, aber nicht von jein oder tja, die beide doch aus ja abgeleitet sind. Und während ja als Partikel betrachtet wird, liest man im Deutschen Universal Wörterbuch A-Z die Bezeichnung "Adverb" für jein und die Bezeichnung "Interjektion" für tja. Adverbien und Interjektionen sind ohnehin die zwei Sammelsurien der traditionellen Grammatik.
Kein Wunder also, wenn in den französischen Deutschlehrwerken Partikeln, Adverbien und Interjektionen kaum Beachtung fanden, ja manchmal überhaupt nicht erwähnt wurden. Das ist unter anderen einer der Gründe, warum die Lehrbuchdialoge der Lektionen für deutschsprachige Hörer oder Leser so oft unnatürlich, hölzern wirkten. Das Ergebnis war (und ist immer noch), daß der französische Schüler oder Student, selbst wenn er grammatikalisch richtige Sätze bildete, den Eindruck erweckte, daß seinem Deutsch etwas fehlte, schlimmer noch, daß seine Aussagen durch ihre Trockenheit, Steifheit und Sprödheit ans Unhöfliche grenzten. Bei ihrer Muttersprache konnten die Lernenden keine Hilfe finden: Das Französische verwendet die Partikeln viel weniger als das Deutsche, so daß an eine Eins-zu-eins-Entsprechung, die es zwischen Sprachen ja ohnehin kaum gibt, überhaupt nicht zu denken ist. Der Franzose wundert sich, warum der Deutschsprachige Das ist nun mal so. sagt, wo Da ist so. (C'est comme ça.) doch ausreichen würde. Derselbe Franzose macht sich über den Belgier lustig, der gerne une fois (das Pendant zu deutsch einmal oder mal) gebraucht, weil dieses une fois sich für ihn vollkommen unnütz anhört. In Verlegenheit gerät unser Franzose aber, wenn er bei der Übersetzung aus dem Deutschen nicht weiß, wie er diese "Füllwörter", oder "Flickwörter", oder wie sie sonst heißen mögen, in seine Muttersprache übersetzen kann oder ob er sie überhaupt übersetzen oder lieber weglassen soll. Während der Deutschsprachige die Partikeln (und andere Wortklassen) sozusagen intuitiv versteht und verwendet und nur selten ein Nachschlagewerk zu Rate zieht, ist der deutschlernende Franzose auf Lehrwerke, Wörterbücher und Grammatikbücher angewiesen. Was passiert aber, wenn er kaum etwas, ja überhaupt nichts findet? Oder aber, wenn das, was er vorfindet, für das deutschsprachige Publikum bestimmt ist, aber seine eigenen Probleme nicht löst. Dabei ist nicht so sehr die Frage von Belang, ob das jeweilige Wort der einen oder anderen Worklasse zugewiesen wird (Klassifizierungsprobleme interessieren nur die Studierenden, die sich für rein linguistische Probleme begeistern, also nur eine Minderheit), wohl aber praktische Fragen wie zum Beispiel: Was bedeutet dieses Wort eigentlich? Hat es Synonyme? In welchem Kontext wird es verwendet? In welchen Satztypen? Welche Stellung(en) kann es im Satz haben? Mit welcher Betonung? Kann es allein benutzt werden oder aber in Verbindung mit anderen Wörtern? Mit welchen? So viele Fragen, die in den einschlägigen Büchern für Mutttersprachler leider allzuoft unbeantwortet bleiben. "Deutsche Sprache, schwere Sprache", diese Redensart bewahrheitet sich ausgerechnet auf dem Gebiet der Unflektierbaren, von denen man, weil sie eben keiner Deklination oder Konjugation unterliegen, mehr Lernleichtigkeit hätte erwarten können.
Aus diesem Zusammenhang lassen sich Entstehung und Zielsetzung der Groupe lexicographique de l'Université Nancy II erklären. Seit etwa einem Jahrzehnt arbeitet die Gruppe an einem Forschungsprojekt über diese Invariables', diese Unflektierbaren. Gemeint sind allerdings in dem Fall nicht alle unflektierbaren Wörter, sondern nur - und das ist schon viel - solche Vokabeln, die traditionellerweise den Adverbien, den Interjektionen und den Partikeln zugewiesen werden, was aber wiederum nicht bedeutet, daß alle sogennanten Adverbien, Interjektionen und Partikeln in Betracht kommen. Untersucht werden nämlich nur diejenigen, die als mots de la commmunication, Kommunikationswörter, fungieren, also keine Wörter wie pfui, juchhe oder kikeriki, wie blindlings, zeitweise oder notfalls, sondern nur solche wie aber, allerdings, also, ja, doch, nur, schon, tja, usw. Ziel der Arbeit ist es, ein Wörterbuch herauszugeben, daß einerseits wissenschafltich abgesichert ist (was oft eine völlige Aufhebung der traditionellen Wortarten mit sich bringt) aber andererseits die Lernschwierigkeiten der Frankophonen berücksichtigt, ein zweisprachiges Wörterbuch also, namens Les Invariables Difficiles 'die schwierigen Unflektierbaren'. Bisher sind schon drei Bände erschienen, der vierte und letzte ist für 2002 vorgesehen.
Hier gilt es nun, an einem Beispiel zu zeigen, wie die Groupe lexicographique de l'Université de Nancy II arbeitet. Dieses Beispiel ist wieder, ein Wort also, das erst für den vierten Band (die Stichwörter sind alphabetisch geordnet) bestimmt ist. Was bisher vorliegt, ist ein Konzept, also noch nicht die Endfassung, und anhand dieses Konzepts sollen die vorläufigen Ergebnisse der Fortschungstätigkeit der Gruppe dargelegt werden. Mein persönlicher Beitrag ist sehr gering, er wird sich auf einige Kommentare und Vorschläge beschränken.
Zunächst einmal geht es darum, für wieder wie für alle Stichwörter den grammatischen Status zu bestimmen, d. h. es einer Wortklasse zuzuordnen. Nun, was wieder betrifft, zählt es seit eh und je zu den Adverbien. Das ist auch hier der Fall, allerdings nur zum Teil, denn es gibt zwar ein wieder als Adverb (wiederADV) aber auch ein wieder als Verbpartikel (wiederVP) und ein wieder als Modalpartikel (wiederMP). Es handelt sich also um eine fundamentale Unterscheidung, und als solche um ein Novum.
Die Funktion von wieder ist die Wiederholung und zwar die zeitliche wie auch die räumliche. Das ist zwar wohlbekannt, darf aber in keinem Wörterbuch fehlen. WiederADV wird in allen Kontexttypen verwendet, d. h. in Aussagesätzen, Fragesätzen, Ausrufesätzen und Befehlssätzen. Im Satz kann wieder die Erststellung einnehmen (also im sogenannten Vorfeld, d. h. vor dem finiten Verb, stehen):
Wiede r lächelte sie, und wieder straften ihre Augen den Mund Lügen. (JAF 27/33) [1]
Diese Erststellung (so selten sie auch sein mag, und sie ist für wieder selten) ist definitionsmäßig notwendig: Da die traditionelle Definition der Wortklasse "Adverb" zu ungenau ist, verstehen die Autoren der Invariables Difficiles unter Adverbien nur solche Unflektierbaren, die eben diese Stellung vor V2 innehaben können, eine rein formelle Begriffsbestimmung also. Allerdings gibt es eine weitere Bedingung: das Unflektierbare kann nicht durch ein Flektierbares substituiert werden, wodurch Wörter wie etwas oder nichts aus der Wortklasse Adverb' ausgeschlossen werden. Selbstverständlich kann wieder als Adverb auch andere Positionen im Satz einnehmen.
Als Adverb kann wieder stark betont werden; es konkurriert dann mit noch einmal. Partner von wieder ist schon (allerdings nicht alle Varianten von schon, sondern lediglich schon als Adverb). Seiner französischen Äquivalente lassen sich in zwei Klassen einordnen: die geläufigen und die gelegentlichen. Geläufig: re-; (de) nouveau; encore; parfois; toujours; sans arrêt; sans cesse; jamais plus. Gelegentlich: arriver; à l'occasion; avec modération; indéfiniment + verbe; inlassablement + verbe.
Charakteristiken wie die eben angeführten sind es, die für alle Stichwörter systematisch erfaßt und in derselben Reihenfolge dargeboten werden, so daß der Leser (vor allem der französische) sofort über das Wesentliche informiert wird.
Wieder kann als Adverb allein oder aber zusammen mit Partnern, d. h. anderen Adverbien benutzt werden. Es kann auch ein Element von Redewendungen sein. Zu jedem Punkt gibt Les Invariables Difficiles viele Beispiele (und zwar mit der jeweiligen französischen Übersetzung), von denen ich aus Platzgründen nur wenige zitiere. Manchmal ersetze ich lange Beispiele durch kürzere von mir.
Wieder kann am Satzanfang stehen (siehe obiges Beispiel) oder aber nach dem ersten Satzglied, was allerdings selten vorkommt. Hier ein Beispiel: "Eben wieder sah und hörte ich der Völkerbundskonferenz hier zu (&)" (HHB 394). Wieder kann auch im Mittelfeld stehen:
"Gut, Frau Ergrün, Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Ich werde morgen wieder vorbeikommen". (JAB 78/96)
Wieder ist auch in Nebensätzen möglich:
"Tag, Herr Kayankaya, freut mich, Sie mal wieder zu sehen."(JAB 88/108)
sowie in elliptischen Aussagen:
"Ich sag's Ihnen nochmal, laufen Sie nicht ins offene Messer. Es gibt manchmal solche Zufälle." - Wieder eine Pause. (&)". (JAB 109/132).
2.2.1.2 Mit nicht-temporalem Wert
Hier möge ein Beispiel genügen:
"In welchem Maß der nur sich und wieder nur sich kannte, das sah ich dann mit eigenen Augen, als wir den Buchladen betraten." (BBB 39).
2.2.2 Mit einigen bemerkenswerten "Partnern"
- immer wieder
Die Kunden erkundigten sich immer wieder nach seinem Befinden.
Und der Zirkus ist immer wieder beliebt bei alt und jung.
(Beide Beispiele aus Les Invariables Difficiles, III, p. 81).
- nie wieder
"Nie wieder Krieg!". "Einmal und nie wieder!"
- jetzt wieder/ nun wieder
"Aber Frau Grübel, was haben wir denn jetzt wieder für Einfälle?"(WEA 75)
Was ist denn nun jetzt los!.
Was der nun wieder treibt?.
- schon wieder
Was treibst du denn schon wieder?.
Was hat er schon wieder verbrochen?
- wieder und wieder
Ich hatte mir Mischkeys Kassette wieder und wieder angehört. (SSJ 271/312).
Ich hatte ihn wieder und wieder ermahnt."
wieder [ein]mal
Wir sollten wieder mal (mal wieder) zusammen ins Kino gehen.
"Sie verkehren viel mit Gastmann?" - "Hin und wieder." (DRH 77-78).
Hin und wieder warf er ihr einen Blick zu, und sie erwiderte diese Geste mit einem Lächeln, das lediglich freundlich gemeint war. (HLW 40).
Die Straße war schmal und schlecht, hin und wieder klatschte ein Ast gegen die Scheiben. (DRH 28).
Hin und wieder kann auch, allerdings seltener, eine lokale Bedeutung haben: "Der Boden erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses; zwischen den gewaltig dicken Balken war hin und wieder ein Verschlag angelegt, in dem wir herrliche Dinge entdeckten." (DKO 24)
Die erste Frage betrifft den sprachlichen Status: Ist wieder Verbpartikel oder aber Halbverbpartikel (quasi particule verbale')? Das Zögern meiner Kollegen läßt sich dadurch erklären, daß die Rechtsschreibereform das Getrenntschreiben von wieder befürwortet, ja vorschreibt. Also nicht mehr: wiederbeleben sondern wieder beleben. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen, was beim Leser (gemeint ist der französische Leser) eine gewisse Beunruhigung verursacht. Meines Erachtens kann man folgendes festhalten:
Wieder wird getrennt geschrieben, wenn das Verb eine trennbare Partikel hat: wieder aufbauen, wieder aufführen, wieder aufrichten, wieder auftauchen, wieder einfallen, wieder einsetzen, usw. Allerdings gilt diese Regel nicht bei Kombinationen mit her: wiederherstellen, wiederherrichten.
Bei den sonstigen Verben wird wieder in der Bedeutung von 'ein zweites Mal' .ebenfalls getrennt geschrieben, es sei denn, es konkurriert mit zurück. Also: wieder beleben, wieder entdecken, wieder erkennen, wieder erwecken. Bei wiedersagen und wiedererzählen hat wieder die Bedeutung von 'ein zweites Mal' nicht für dasselbe Subjekt, sondern diese Verben bedeuten 'einem anderen das Gehörte oder Gelesene mitteilen'.
Wieder wird immer ans Verb angeschlossen, wenn es mit (zu)rück konkurriert: wiedererstatten, wiederbringen, wiedergeben, wiedergewinnen, wiederholen, wiederkommen.
Wieder wird mit dem Verb in einem Wort geschrieben, wenn es um die Reziprozität geht: wiedergrüßen, wiederlieben.
Für die weiteren Verben vermag ich keine Erklärung zu finden, so etwa: wieder bekommen, aber: wiederkriegen (= wieder bekommen).
Aber es dürfte wohl klar sein, daß die Schreibweise in dem Fall nichts über den Status von wieder (Verbpartikel oder Halbverbpartikel) aussagt. Denn egal ob wieder getrennt geschrieben wird oder nicht, bei der Substantivierung des Verbs oder bei der Schaffung eines aus dem Verb abgeleiteten Substantivs wird wieder immer angeschlossen: wieder aufbauen, aber das Wiederaufbauen, der Wiederaufbau, wieder geboren, aber die Wiedergeburt. Die Unterscheidung zwischen Halbverbpartikel oder Verbpartikel entbehrt meiner Meinung nach jeglicher zwingenden Grundlage, und hier wird fortan nur von Verbpartikel die Rede sein.
Zur Funktion von wieder (als Verbpartikel) ist folgendes zu sagen:
es drückt die Rückkehr zum ursprünglichen Zustand aus (wieder aufbauen),
aber auch die einfache Wiederholung eines Geschehens oder einer Handlung (wiedersehen, wiederhören),
ferner die Weitergabe von Erfahrenem an Dritte (wiedersagen, wiedererzählen),
in zwei Verben die Reziprozität: wiedergrüßen, wiederlieben.
Was die Kontexte betrifft, so sind alle Satztypen möglich, also Aussagesätze, Fragesätze, Ausrufesätze und Imperativsätze. Zur Stellung ist festzuhalten, daß die Verbpartikel im Unterschied zum Adverb wieder nie am Satzanfang stehen kann. Sonst befindet sich wieder als Satzpartikel m. E. möglichst weit rechts im Satz, d. h. (falls eins von diesen Elementen vorhanden ist) vor der trennbaren Partikel, dem Partizip II, dem Infinitiv, der Ortsergänzung oder Richtungsergänzung (beide bilden nämlich eine semantische Einheit mit dem jeweiligen Verb):
Er konnte nach langer Abwesenheit endlich wieder nach Hause gehen (= heimgehen) / wieder zu Hause sein (daheimsein).
Die Betonung ist im Prinzip schwach: normalerweise gibt es im Satz andere Wörter, die stärker betont werden. Es ist jedoch möglich, wieder zu betonen, wenn das der Hervorhebung dient. Der einzige Konkurrent von wieder ist zurück, allerdings nur in der Bedeutung 'Rückkehr in den ursprünglichen Zustand'. Wieder erscheint oft in Begleitung von einigen "Partnern" wie jetzt und nun. Sein geläufigstes französisches Äquivalent ist das Präfix re-. Für die Reziprozität (wiedergrüßen, wiederlieben) bedient sich der Franzose lieber des Verbs rendre: il lui rendit son salut, il lui rendit son amour.
Einer der Hunde des Generals stöhnte im Schlaf, wachte auf, gähnte und schlief gleich wieder ein. (AAH 89).
Enttäuscht schlenderten die Herren wieder zu ihren Geländewagen.(AEZ 26)
3.2.2 Wieder zusammen mit anderen Elementen
- nie wieder:
Er war sich in diesem Augenblick sicher, daß er nie wieder würde zurückkehren würde. (PST 30)
- jetzt/nun wieder:
Geh jetzt wieder schlafen.
Ich ging wieder zur Tante, die sich jetzt wieder völlig beruhigt hatte. (LMS 142/156).
- schon wieder:
Die Menge stand starr, während sich Marcel schon wieder auf die Füße gestellt hatte. (AEZ 152)
Ich würde noch ein viertes Partner-Element hinzufügen wollen: zurück. Das Paar wieder zurück kommt nämlich sehr oft vor. Hier nur drei Beispiele (von vielen!) aus der Berliner Tageszeitung (1998):
Wieder zurück an die Weichsel! Rund 20 Millionen Menschen können nach Polen zurückkehren."(01.03: 5).
Die Regierung will nämlich das nach dem Krieg verstaatliche Eigentum wieder zurückgeben. (ibd.).
Im April 1993 gehen die meisten Institute am Albrecht -Thaerweg wieder zurück an die Humboldtuniversität. (01.06: 23).
Für Franzosen klingen diese Fügungen pleonastisch: Wenn jemand wieder kommt, kommt er automatisch zurück, und wenn er zurückkommt, kommt er ipso facto wieder. Doppelt gemoppelt also. Bei näherem Hinsehen aber ist eine Art Arbeitsteilung festzustellen: Ein und derselbe Prozeß wird mit wieder temporal beschrieben und mit zurück lokal. Derselbe Prozeß wiederholt sich, und man kehrt zum selben Ort zurück.
Die Funktion von wiederMP unterscheidet sich unverkennbar von den jeweiligen Funtionen von wieder als Adverb und von wieder als Verbpartikel, was eben die Behauptung einer "Dreifaltigkeit" ermöglicht und rechtfertigt. Wieder macht eine Umkehrung in der argumentativen Orientierung der Rede deutlich oder aber einen Gegensatz zwischen der Information, die in der Aussage mitgeteilt wird, in der sich wieder befindet, und der vorangehenden Information.
Als Modalpartikel erscheint wieder in allen Satztypen, besonders aber in Hauptsätzen vom Typ Aussagesatz und in Nebensätzen. Durch die eben angegebene Funktion von wieder wird klar, daß diese Partikel im Vorfeld, also vor dem finiten Verb, nicht vorkommen kann. Wieder wird schwach betont; konkurrente Formen und Partner scheint es nicht zu haben. Französische Äquivalente fehlen. In den meisten Fällen ist die Nullübersetzung anscheinend die beste Lösung, obwohl sie die französischen Sudenten unsicher macht: wenn sie etwas durch nichts übersetzen, befürchten sie, entweder die richtige Übersetzung nicht gefunden oder etwas vergessen zu haben.
- in Aussagesätzen, im Mittelfeld:
Tatsächlich war sie einfach eine liebe, hübsche, nicht wahnsinnig intelligente Sängerin, der er nicht einmal zusätzliche Engagements oder Konzerte verschaffte. Dazu war er wieder zu korrekt. (BAC 64)
Ich gehe gern in diese Filme für Sechsjährige, weil darin von dem Erwachsenenkitsch mit Ehebruch und Ehescheidung nichts vorkommt. [&] Richtige Hurenfilme sehe ich wieder ganz gern, aber es gibt so wenige. (BAC 118).
- in Aussagesätzen, in "Satzglied-1-Stellung":
Im folgenden Besipiel ist dann das erste Satzglied:
Mal soll sie (gemeint ist die Europäische Union, Y.B.) verantwortlich sein, daß Europa in die Spaltung zurückfällt (Britanniens Außenminister Douglas Hurd). Dann wieder muß sie als "Bedrohung für Deutschlands Arbeitsplätze" herhalten, wie der sozialdemokratische Spitzenkandidat Dieter Spöri im baden-württembergischen Wahlkampf im März 1996 behauptete. (MSG 11416/117)
- in anderen Satztypen und Stellungen (Zwischen- und Nebensätze):
Hier ein Beispiel für Zwischensätze:
Für mich war die Tatsache, daß Vater eine Geliebte hat, eher ein ästhetischer Schock: es paßte gar nicht zu ihm. Er ist weder leidenschaflich noch vital, und wenn ich nicht annehmen mußte, daß sie nur eine Art Krankenschwester oder Seelenbadefrau für ihn war (wobei wieder der pathetische Ausdruck Geliebte nicht zutrifft), so war das Unordentliche daran, daß es nicht zu Vater paßte. (BAC 63/64)
Und ein Beispiel für Nebensätze:
Aber diese anderen Leute begreifen eben nicht, daß die Vortäuschung von Feierabend für einen Clown darin besteht, seine Arbeit zu vergessen, sie begreifen es nicht, weil sie sich, was für sie wieder vollkommen natürlich ist, erst an ihrem Feierabend mit sogenannter Kunst beschäftigen. (BAC 110)
auch wieder:
Er kam aus Düsseldorf, mein Nachbar, und so jung war er auch wieder nicht, anfangs Dreißig, immerhin jünger als ich. (FHF 8/8).
Er hatte doch früher mal einen Onkel gehabt [&] Ob der Onkel nocht lebte? So als war der auch wieder nicht gewesen. (CMB 15)
nun wieder:
Der Name Ziebinski ist, wie gesagt, in Polen so häufig wie bei uns Meyer oder Schmidt. Daß ich in Polen öfter auf Ziebinskis gestoßen bin, ist also überhaupt kein Wunder. Allerdings waren sie, was nun wieder nicht mit der Häufigkeit von Namen zu tun hat, alle irgendwie Verwandte von Jan. (SRJ 186/155).
In Winnetous Geburtsland, in den USA, ist Karl May so gut wie unbekannt. Man begnügt sich in Angelsaxien damit, ihn noch heute als "Hitler's favorite author" abzuheften. Wenn er vieles war, das war er nun wieder nicht. (SP 18/95 :130)
Bemerkenswert ist, daß wieder als Modalpartikel keine iterative oder zumindest potentiell iterative Bedeutung hat, keine Wiederholung(en) eines Prozesses bezeichnet, sondern eine adversative Funktion wahrnimmt: es drückt die Umkehrung der argumentativen Orientierung aus oder einen Gegensatz zwischen der vorangehenden Information und dem, was jetzt dargelegt wird.
Daß wieder auch hier Modalpartikel ist, unterliegt keinem Zweifel: die Erststellung ist - im Unterschied zum Adverb wieder - nicht möglich, und wieder ist im Unterschied zur Verbpartikel nicht mit einem Verb assoziert.
In der Umgangssprache aber ist wieder eine iterative Bedeutung zu finden, und zwar in zwei ganz verschiedenen Fällen: Wieder dient dem Ausdruck der Reziprozität oder aber als ein Mittel, eine schon bekannte Mitteilung oder ein schon bekanntes Erlebnis wieder in Erinnerung zu rufen.
Die Reziprozität haben wir schon bei zwei Fällen in Kombination mit Verben festgestellt, nämlich bei wiedergrüßen und wiederlieben. Derselbe Prozeß (Gruß, Liebe) wird wiederholt, allerdings nicht vom selben Subjekt: B tut dasselbe wie A. Diese Reziprozität wird auch von der Modalpartikel wieder ausgedrückt. Mein Beispiel entnehme ich dem Deutschen Universal Wörterbuch A-Z:
Wenn er dir eine runterhaut, haust du ihm einfach wieder eine runter!
Auch dieses Beispiel verdanke ich dem Deutschen Universal Wörterbuch:
Wie heißt er wieder?
Allerdings ist meine Interpretation eine andere als die dort gegebene. Für den Duden bedeutet wieder 'noch'. Es stimmt schon, daß die betreffende Person keinen anderen Namen erworben hat, durch Heirat etwa. Aber darum geht es ja nicht. Der Sprecher kennt den Namen schon: er hat ihn gehört oder gelesen. Er hat ihn aber inzwischen vergessen und er möchte ihn noch einmal (also: wieder) mitgeteilt bekommen. Wieder verbindet also Vergangenheit mit Gegenwart. Wir haben etwas Ähnliches beim Gebrauch des Präteritums in Sätzen wie Wie war doch gleich Ihr Name? Damit gibt man zweierlei kund: daß man den Namen schon einmal erfahren hat und daß man ihn noch einmal hören möchte. Das gilt auch für das ebenfalls demselben Buch entnommene Beispiel:
Wo war das [gleich]wieder?
Der Sprecher hat den Ort schon einmal erfahren oder erlebt, kann sich jedoch den Namen nicht wieder in Erinnerung rufen.
Fundamental ist die Unterscheidung von drei wieder, während wieder sonst nur als "Adverb" betrachtet wird. Wieder kann Adverb, Verbpartikel und Modalpartikel sein.
Dem Adverb, der Verbpartikel und der umganssprachlichen Modalpartikel ist die die Wiederholung in der Zeit oder im Raum als Grundbedeutung gemeinsam. Die Bedeutung: 'Rückkehr in den ursprünglichen Zustand' ist nur die logische Konsequenz der temporalen Wiederholung. Wenn der Sachverhalt A im Laufe einer Entwicklung zu B geworden ist und derselbe Sachverhalt A noch einmal ins Leben wachgerufen, also wiederholt wird, dann geht es von B wieder zurück zu A, und man bekommt A wieder. Die Wiederholung muß aber nicht auf ein Mal beschränkt sein, sondern kann beliebig oft erfolgen: Alle Jahre wieder kommt das Christuskind&. So ist wieder potentiell oder reell iterativ.
Problematisch ist, daß wieder als Modalpartikel meist nicht iterativ, sondern adversativ ist. Wie läßt sich diese Diskrepanz erklären? Meine Hypothese ist die: diese adversative Bedeutung ist keine Ad hoc-Bedeutung; sie ist in wider bereits vorhanden. Man sollte sich daran erinnern, daß bis ins 17. Jahrhundert nicht zwischen wider und wieder unterschieden wurde. Dann erfolgte eine Art Arbeits- und Rollenverteilung: wider und wieder blieben beide Verbpartikeln, wider spezialisierte sich aber als Präposition und wieder als "Adverb". Die adversative Bedeutung war beiden gemeinsam. Sie bleibt als Grundbedeutung in der Präposition wider bestehen, aber sie ist auch in der Modalpartikel wieder immer noch vorhanden.
"Dies alles ist schön und gut", wird der französischsprachige Germanistikstudent höflich sagen (und wir dürfen ihn nicht einen Augenblick vergessen, wenn es um Deutsch als Fremdsprache geht!), "aber Sie haben uns in Ihren Ausführungen nicht erklärt, ob es einen Unterschied gibt zwischen wieder und wiederum. Im Deutschen Universal Wörterbuch steh 'wieder 4: wiederum 3'. Sind beide Wörter wirklich synonym, oder gibt es Fälle, wo nur das eine möglich ist und das andere nicht und umgekehrt?". - "Nur keine Angst, mein Freund,", lautet die Anwort, "in Les Invariables Difficiles wird das Stichwort wiederum bestimmt nicht fehlen. Also noch etwas Geduld!"
1 Die in Klammern stehenden Abkürzungen und Zahlen entsprechen den bibliographischen Angaben von Les Invariables Difficiles. [zurück]
2 Für folgende Überlegungen bin ich verantwortlich. Sind sie falsch, so bin ich und nur ich schuld.[zurück]
Duden, deutsches Universalwörterbuch A-Z. Auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibreglen. (1996) Bearbeitet von Günther Drosdowski et al.; herausgegeben vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. 3., neu bearbeitete und Mannheim: Dudenverlag,
Métrich, René / Faucher, Eugène / Courdier, Gilbert (1993): Les invariables difficiles : dictionnaire allemand-français des particules, connecteurs, interjections et autres " mots de la communication" 1: Aber - Außerdem. 3. éd., revue et corrigée. Nancy: Université de Nancy II (= Bibliotheque des nouveaux cahiers d'Allemand 2.1: Collection outils).
Métrich, René / Faucher, Eugène / Courdier, Gilbert (1995): Les invariables difficiles : dictionnaire allemand-français des particules, connecteurs, interjections et autres "mots de la communication" 2: Bald - geradezu. 4. éd., rev. et corr. Nancy: Université de Nancy II (= Bibliotheque des nouveaux cahiers d'Allemand 2.2: Collection outils).
Métrich, René / Faucher, Eugène / Courdier, Gilbert (1995): Les invariables difficiles : dictionnaire allemand-français des particules, connecteurs, interjections et autres "mots de la communication" 3: Gern - nur so. Nancy: Université de Nancy II (= Bibliotheque des nouveaux cahiers d'Allemand 2.3: Collection outils).